Teil 5 der Reihe "Die Unabhängigkeit der Wissensgesellschaft" über kumulative Dissertationen. Eine Einordnung
Im Gegensatz zu monografischen Dissertationen – bei denen Doktorand:innen eine einzelne Arbeit meist in Buchform einreichen, die dann begutachtet wird – reichen sie bei kumulativen Dissertationen Teile ihrer (Forschungs-)Arbeit bei Fachzeitschriften ein, welche dann in Teilen veröffentlicht werden. Die Doktorarbeit besteht also nicht aus einem einzelnen Werk sondern mehreren Artikeln, die in Journals (sogenannte wissenschaftliche Zeitschriften) veröffentlicht wurden.
Folglich werden die Arbeiten nicht von Doktormutter oder -vater bewertet, sondern unterliegen dem Peer-Review-Prozess einer Zeitschrift. Bei dieser Art der Begutachtung bewerten mehrere Wissenschaftler:innen denselben eingereichten Artikel. Einige Wissenschaftler:innen halten dies für eine unabhängigere Form der Bewertung und erhoffen sich durch die Veröffentlichung in einer Zeitschrift mehr Einfluss und Bedeutung, als es bei einer Monographieveröffentlichung der Fall wäre.
Eine Übersicht über alle Veröffentlichungsvarianten finden Sie hier.
Allerdings überwiegen aus Sicht der Doktorand:innen die Nachteile des kumulativen Modell: es vergeht eine sehr lange Zeit, bis Texte in Zeitschriften veröffentlicht und die Dissertation somit bewertet werden kann. „Die kumulative Dissertation ist weder schneller noch besser als die Monographie“, denn, beispielsweise, „[v]oreilig herausgegebene Papers können zu langwierigen Begutachtungsverfahren führen“ (Wiegleb 2013, n.pag.).
Konkret bedeutet die kumulative Dissertation, dass Promovierende zwei bis drei Artikel in wissenschaftlichen Journals veröffentlichen müssen. Allerdings wird nicht jeder Artikel, der bei den Herausgebern einer Zeitschrift eingereicht werden, auch gedruckt und veröffentlicht.
Für gewöhnlich folgt nach der Begutachtung der Aufruf zu Nachbesserungen oder grundlegenden Überarbeitungen. Im schlimmsten Fall wird man abgelehnt und muss es bei einer anderen Zeitschrift versuchen. Ist die Doktorandenstelle nur befristet, so kann diese fehlende Planbarkeit zu großen Konflikten führen, schlimmstenfalls zum Verlust der Stelle. Doch allein die verschwendete Zeit und das fehlende Einkommen während des Wartens sorgen für dringliche Probleme in der Karriere-bzw. Lebensplanung.
Besonders für Promovierende, die nicht an der Universität bleiben und in die Wirtschaft einsteigen wollen, sind die Dauer und die damit zusammenhängenden Opportunitätskosten dieses Prozesses im Journalsektor unhaltbar, denn man muss zum Beispiel als Jurist vier Jahre warten, bis die vorgeschriebene Anzahl an Artikeln in Journals veröffentlicht wurde.
Ein weiterer Faktor sind die erheblichen Kosten für eine Veröffentlichung in Journals. In der betriebswirtschaftlichen Betrachtung wird deutlich, dass „Elsevier, Springer Nature und Wiley bereits etwa 60 Prozent der Erwerbungsbudgets der wissenschaftlichen Bibliotheken“ beziehen, die also an anderer Stelle fehlen, um neue, wissenschaftlich relevante Werke für die Forschung und Lehre zu erwerben (Hippler 2017, S. 500).
Hippler, Horst. „Inakzeptabel: Publikationskosten und die Marktmacht der Großverlage.“ Forschung & Lehre, Juni 2017. 500-2.
Wiegleb, Gerhard: „Die kumulative Dissertation.“ Academics.at. 2013. https://www.academics.at/wissenschaft/die_kumulative_dissertation_56018.html Abruf am 2017-02-09.