Dieses Buch erforscht die Schnittmenge zwischen Performance-Praktiken, kritischem und erweitertem Design und Erinnerungskultur und untersucht disziplinübergreifende Arbeitsweisen und Bildungsmodelle als Reaktion auf zeitgenössische und historische Verfolgung und Exil. Es soll einen Beitrag zum Feld des Experimentellen und Erweiterten Designs leisten, indem es verkörperte Praktiken als sozial relevante prozessorientierte Modalitäten der Problemlösung und Bildung untersucht.
Die deutsche und britische Hochschulausbildung in den Künsten hat sich von der Bereitstellung eines offenen, kritischen Raum für kulturelle Experimente und soziale Inklusion, wie es die Herausgeber in den 1970er und 80er Jahren erlebten, hin zu einer semikommodifizierten und modularisierten Berufsausbildung entwickelt. Das transdisziplinäre Projekt ‘beyond forgetting 1938 – 2018: persecution/memory/exil’ und diese Publikation stellen Fragen, wie künstlerische Ausbildung und Praxis – im Design- und dem Sektor der Darstellenden Künste – sich jenseits eines neoliberales reduktionistisches System der Ausbildung und Kommodifizierung hin zu einer kritischen Praxis und Ausbildung bewegen können.
Das Projekt “beyond forgetting 1938-2018” wurde konzipiert als eine disziplinübergreifende, transnationale und generationenübergreifende Untersuchung und als ein Austausch mit der Zielsetzung Fragen jenseits disziplinärer Belange zu stellen, um sich mit komplexen weltlichen Realitäten und sozio-historischen Beziehungen zwischen den Kulturen zu beschäftigen. Westliche Praktiken der darstellenden Künste – und zu einem großen Teil somatische Praktiken der Verkörperung – beanspruchen gesellschaftskritisches und kulturelles transformatives Potenzial. Die modernistische Avantgarde des Theaters, des Tanzes und der Reformkörperkultur – Körperkultur – verstand sich als kulturell störend, nonkonformistisch, als Vehikel für ein befreites Selbst oder als Vorbote einer utopischen, gleicheren Gesellschaft. Während solche universalistischen – und in der Tat privilegierten Positionen der Moderne in Frage gestellt werden, bieten sie kritischen Historien und verkörperten Methodologien, die getestet und theoretisiert sind, ein Sprungbrett für zeitgenössische Untersuchungen.
Der britische Wissenschaftler Foluke Adebisi (2020) erinnert daran, dass die Wissenschaft – in Forschung und Lehre – als ein radikales Leuchtfeuer in einer Post-Wahrheits-Ära fungieren muss, “um die Illusionen und historischen Auslöschungen, die die Post-Faktizität ermöglicht haben” aufzuzeigen. In ähnlicher Weise wie pädagogische Denker wie Adorno, Freire, Giroux oder Firth schlägt er eine kritische Bildung vor, die einen Weg schafft, “der die Möglichkeit zur Veränderung” schafft, indem sie die Mechanismen der Konstruktion unserer Realität aufdeckt. Ein solcher Weg muss sich mit den historischen und sozio-ökonomischen Analysen des kolonialen übergreifenden Systems von Herrschaft, Ausbeutung und Kommodifizierung befassen.
“Beyond forgetting” erforscht die Schnittmenge zwischen Performance-Praktiken, kritischem und erweitertem Design und Erinnerungskultur und untersucht disziplinübergreifende Arbeitsweisen und Bildungsmodelle als Reaktion auf zeitgenössische und historische Verfolgung und Exil. Die Publikation soll einen Beitrag zum Feld des experimentellen und erweiterten Designs leisten, indem es verkörperte Praktiken als sozial relevante prozessorientierte Modalitäten der Problemlösung und Bildung untersucht. Die Sammlung von Aufsätzen und studentischen Projekten in dieser Publikation gibt einen Einblick in die Möglichkeit, auf verborgene und widerstrebende Geschichten von Verfolgung und Exil mit visuellen, performativen, konzeptionellen und interaktiven Mitteln zu reagieren.