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Aufmerksamkeitsfunktionen und ihre Entwicklung bei Vorschul- und Grundschulkindern

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Aufmerksamkeitsfunktionen und ihre Entwicklung bei Vorschul- und Grundschulkindern

Eine kulturvergleichende Studie zur Erfassung von neuropsychologischen Funktionen der Aufmerksamkeit bei einer Stichprobe von Kindern in Damaskus (Syrien) und Aachen (Deutschland)

Jamal Sobeh (Autor)

Vorschau

Inhaltsverzeichnis, Datei (53 KB)
Leseprobe, Datei (82 KB)

ISBN-13 (Printausgabe) 3869555181
ISBN-13 (Printausgabe) 9783869555188
ISBN-13 (E-Book) 9783736935181
Sprache Deutsch
Seitenanzahl 238
Auflage 1 Aufl.
Band 0
Erscheinungsort Göttingen
Promotionsort RWTH Aachen
Erscheinungsdatum 25.10.2010
Allgemeine Einordnung Dissertation
Fachbereiche Psychologie
Kulturwissenschaften
Beschreibung

Die Entwicklung von Aufmerksamkeitsfunktionen im Schulalter wurde wenig erforscht. Zusätzlich wurden die meisten Entwicklungsstudien der Aufmerksamkeit bei Kindern bislang nur in westlichen Industrieländern (hauptsächlich in den USA und Westeuropa) durchgeführt. In der vorliegenden Arbeit wurde die Entwicklung von Aufmerksamkeitsfunktionen aus kulturvergleichender Perspektive (arabisch-syrisch und westlich-deutsch) behandelt. Kinder im Vorschul- und Schulalter aus staatlichen Institutionen in den Ländern Syrien (Damaskus: mit syrischem und palästinensischem Hintergrund) und Deutschland (Aachen) wurden zum ersten Mal getestet, um die Rolle des Alters, des Geschlechts, der Kultur und des sozioökonomischen Status (SES) in den aufmerksamkeitsrelevanten Leistungen zu analysieren. Als Testverfahren wurden die Kinderversion Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (KITAP) von Zimmermann, Gondan und Fimm (2002) sowie ein Subtest (Alertness) von der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) eingesetzt. Die KITAP ist eine neu entwickelte computergestützte Testbatterie, die eine umfassende Diagnostik der Aufmerksamkeitsfunktionen nach neuropsychologischen Modellen anhand der folgenden Untertests Alertness, Vigilanz, Daueraufmerksamkeit, Visuelles Scanning, GoNogo, Ablenkbarkeit, Flexibilität und geteilte Aufmerksamkeit ermöglicht. Die KITAP hat eine nichtverbale Darstellung mit kindgerechter Gestaltung. Insgesamt wurden drei Untersuchungen im Querschnittsdesign durchgeführt. In der ersten Pilotstudie wurde die KITAP an einer Stichprobe (n=143) an arabischen Kindern in Syrien im Alter von 5 bis 11 Jahren angewendet, um die Anwendbarkeit des Testverfahrens zu überprüfen. Die Ergebnisse zeigen eine gute Anwendbarkeit bei Schulkindern ab dem 6. Lebensjahr. Die Tests Alertness, GoNogo und Vigilanz konnten bei Kindern im Vorschulalter (5 Jahre) durchgeführt werden. Wie erwartet spielt das Alter eine entscheidende Rolle in den Leistungen in allen untersuchten Aufmerksamkeitsfunktionen, wobei ältere Kinder im Vergleich zu jüngeren bessere Leistungen zeigen (kürzere Reaktionszeiten, weniger Leistungsvariabilität, weniger Fehler und Auslassungen). Ein Geschlechtseffekt wurde auch in einigen Tests beobachtet. In der zweiten Studie wurden zusätzlich Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren (n=562) aus beiden Kulturen (arabisch-syrisch und westlich-deutsch) mit KITAP und TAP (Alertness) getestet. Darüber hinaus wurden die Symptome der Aufmerksamkeits/Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) durch Elterneinschätzungen (Döpfner & Lehmkuhl, 2000) erfasst. Die Kinder wurden in Altersgruppen (5 Jahre), (6/7 Jahre), (8-10 Jahre) und (11/12 Jahre) eingeteilt. Mit zunehmendem Alter wurden Leistungsverbesserungen in allen Untertests festgestellt, wobei einige Aufmerksamkeitsfunktionen wie Daueraufmerksamkeit, Vigilanz, Geteilte Aufmerksamkeit und Flexibilität einem starken Alterseffekt unterliegen. Niedrige Alterseffekte in Alertness, GoNogo und visuelles Scanning deuteten auf eine frühere Entwicklung dieser Funktionen hin. Die wichtigsten Leistungsverbesserungen geschehen im Allgemeinen im Alter zwischen 8 und 10 Jahren. Die Leistungsgenauigkeit verbessert sich früher (unter 10 Jahren) als die Leistungsgeschwindigkeit, die bis zum 12. Lebensjahr hin andauern kann. Wie erwartet lässt sich ein Geschlechtseffekt in einigen Tests zeigen. Jungen zeigten schnellere Leistungen, während Mädchen eine bessere Leistungsgenauigkeit aufwiesen. Wie erwartet unterschieden sich die Kinder aus beiden Kulturen in mehreren Untertests insbesondere in den Funktionen der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit (visuelles Scanning) und in den Funktionen der exekutiven Aufmerksamkeit (Ablenkbarkeit, Flexibilität, geteilte Aufmerksamkeit). Die arabisch-syrischen Kinder zeigten abweichende Leistungen im Sinne von langsameren Reaktionszeiten, mehr Leistungsvariabilität und einem höheren Fehleranteil. In dem Test Daueraufmerksamkeit wiesen die deutschen Kinder eine bessere Leistung in drei Parametern (Reaktionszeit, Variabilität der Reaktionszeiten und Fehleranteil) auf. Es wurden keine Unterschiede in den basalen Aufmerksamkeitsfunktionen Alertness, Vigilanz und GoNogo in Abhängigkeit der Kultur beobachtet. Es scheint somit bestätigt zu sein, dass die Komponenten der visuell-räumlichen und der exekutiven Aufmerksamkeit den stärksten kulturellen Unterschieden unterliegen. Einige bedeutsame Zusammenhänge zwischen dem sozioökonomischen Status und den Kinderleistungen (Ablenkbarkeit, Daueraufmerksamkeit, Flexibilität, Visuelles Scanning) wurden dabei festgestellt. Kinder mit höherem SES zeigten weniger Leistungsvariabilität. Bedeutsame Zusammenhänge zwischen den Leistungen in KITAP und den von den Eltern eingeschätzten ADHS-Symptomen konnten in einigen Tests (GoNogo, Daueraufmerksamkeit, Flexibilität) beobachtet werden. Höhere ADHS-Werte korrelieren deutlich mit fehlerhaften Leistungen in diesen Tests. Es gab kulturelle Unterschiede in der Einschätzung der ADHS-Symptome durch die Eltern. Die arabisch-syrischen Eltern gaben ihren Kindern höhere ADHS-Werte im Vergleich zu den Deutschen. Die Ergebnisse hinsichtlich der Aufmerksamkeitsleistungen werden im Allgemeinen im Rahmen der biologischen Faktoren (neurale Reifungsprozesse in Hirnarealen) sowie im Hinblick auf die aktuellen soziokulturellen Modelle (Kulturdimensionen: Kollektivismus/Individualismus, Hofstede (2000), kulturelle Selbststruktur: Relationalität/Autonomie Kagitcibasi (1996); Markus & Kitayama (1991)) und ihrem Einfluss auf die Entwicklung der Aufmerksamkeitsfunktionen diskutiert. In der dritten Untersuchung wurden dieselben Testverfahren bei Jugendlichen (14/15 Jahre) und jungen Erwachsenen (17-24 Jahre) in beiden Ländern (Syrien und Deutschland) (n=138) eingesetzt, um die Stabilität bzw. die Veränderung der kulturellen Leistungsunterschiede im Jugendalter und jungen Erwachsenenalter zu überprüfen. Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Leistungen der Altersgruppe 8 bis 10 Jahre von den Leistungen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in allen Tests deutlich unterscheiden. Ab dem Alter von 11/12 Jahren können einige Leistungen von Kindern (insbesondere in Bezug auf die Parameter der Leistungsgenauigkeit) beobachtet werden, die dem Niveau der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ähnlich sind. Interessanterweise konnte bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen (wie bei Kindern) das ähnliche Muster von kulturellen Unterschieden in den Aufmerksamkeitsleistungen beobachtet werden. Die arabisch-syrischen Probanden waren in mehreren Tests deutlich langsamer, variabler und fehlerhafter in ihren Leistungen im Vergleich zu den deutschen Probanden. Die allgemeinen Ergebnisse dieser Studie zeigen die Wichtigkeit der kulturvergleichenden Forschung für eine bessere Erkenntnis über die dynamische Interaktion der biologischen und soziokulturellen Faktoren in der Entwicklung von Aufmerksamkeitsfunktionen und deren Erscheinung auf der Verhaltensebene im Kindesalter. Die Rolle des Alters und Geschlechts lässt sich deutlich erkennen. Allerdings unterstützen die Ergebnisse dieser Arbeit die Annahme über die entscheidende, modifizierte Rolle der kulturellen Einflussvariablen (z.B. Wertsystem, Bildungssystem usw.), die die Leistungen in den aufmerksamkeitsrelevanten Aufgaben maßgeblich beeinflussen können.