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Es liegt in der Natur der Sache, dass der Erblasser nicht mehr nach seinem tatsächlichen Willen gefragt werden oder seine Entscheidung korrigieren kann, wenn seine Verfügung von Todes wegen zur Anwendung gelangt. Aufgrund dessen ist es für den Erblasser ausgesprochen wichtig, jegliche Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit und Gültigkeit der durch ihn getroffenen Regelungen vor seinem Tod ausräumen zu können. Nur auf diese Weise kann er bezüglich seiner Erben und der Verteilung seines Nachlasses die Sicherheit erlangen, dass sein Vermögen seinem Willen entsprechend verteilt wird.
Es ist jedoch möglich, dass sich die weitere Entwicklung in der Familie des Erblassers oder in einem etwaig zu vererbenden Unternehmen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung für den Erblasser noch nicht überblicken lässt. Eine Entscheidung hinsichtlich seiner Erben ist für den Erblasser besonders im Falle eines sehr frühen Todes entsprechend schwierig. Darüber hinaus ist es denkbar, dass der Erblasser nicht nur seinen „direkten“ Erben aussuchen, sondern auch weitergehenden Einfluss auf seinen Nachlass und dessen Verteilung nehmen möchte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu dem Nachlass eine beträchtliche Geldsumme oder ein Familienunternehmen gehört.
Eine Möglichkeit zu einer insbesondere in zeitlicher Hinsicht weitreichenden Einflussnahme bietet die Vor- und Nacherbschaft. Aber gerade eine solch langfristige Einflussnahme durch den Erblasser birgt besondere Probleme. Je weiter der Einfluss des Erblassers in zeitlicher Hinsicht reicht, umso weniger kann er die Entwicklung der Situation für den gesamten Zeitraum seines Einflusses überblicken.
Besonders bei der Frage der Unternehmensnachfolge kann dies für den Erblasser zu einem Problem werden. Er möchte das Unternehmen gerne in der Familie behalten und durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft möglichst langfristig Einfluss nehmen.
Die nächste Generation der Erben steckt im ungünstigsten Fall zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen jedoch noch in den Kinderschuhen. Ihre weitere Entwicklung und spätere Eignung für die Übernahme und Fortführung des Unternehmens lässt sich in einem solchen Fall für den Erblasser nicht überblicken. Die potentiellen Erben sind noch zu jung, um eine Prognose hinsichtlich ihrer beruflichen Wünsche oder ihres beruflichen und persönlichen Werdeganges zu treffen. Außerdem müssen sie möglicherweise noch die entsprechenden Qualifikationen erwerben, um zur Führung eines Unternehmens befähigt zu sein.
Für den Erblasser stellt sich daher die Frage, inwieweit er selber seinen Nacherben bereits unumstößlich festlegen muss oder ob er Dritte in die Entscheidung mit einbeziehen und diesen einen Spielraum einräumen kann. Möglicherweise kann er dem Vorerben, wenn er diesem eine solche Entscheidung zutraut und in die Hände legen möchte, die Möglichkeit einräumen, die Weitergabe des Nachlasses maßgeblich zu beeinflussen. Eine solche Person kann zum Zeitpunkt der Errichtung ihrer Verfügung von Todes wegen die Gegebenheiten möglicherweise besser einschätzen als der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung.
Für den Erblasser besteht demnach in der geschilderten oder in ähnlichen Situationen die praktische Notwendigkeit nach derartigen Freiheiten und Möglichkeiten bei der Errichtung seiner Verfügung von Todes wegen.
Aus juristischer Sicht können sich jedoch je nach Fallgestaltung erhebliche Probleme ergeben, die auch zu einer Nichtigkeit einer Verfügung von Todes wegen führen können.
Das Reichsgericht musste sich in seiner Entscheidung vom 16.04.1919 mit der Frage der Zulässigkeit folgender Anordnung in einem Testament beschäftigen:
Der Erblasser ernannte in seinem am 14.02.1905 errichteten Testament seine Frau zur Vorerbin und unter der Voraussetzung, dass diese keine anderweitige letztwillige Verfügung trifft, seine Nichte zur Nacherbin. Er befreite die Vorerbin soweit als möglich von allen Beschränkungen und Verpflichtungen und erklärte sie als zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt. Außerdem sollte sie dazu befugt sein, durch letztwillige Verfügung über die Erbschaft anders zu verfügen als in dem Testament des Erblassers geschehen oder Zusätze zu dem Testament zu machen. Der Nacherbin legte er für den Fall, dass sie zur Nacherbfolge gelange, die Auszahlung diverser Vermächtnisse auf.
Solche oder ähnliche Formulierungen fanden und finden sich immer wieder in letztwilligen Verfügungen. Unterschiede ergeben sich bezüglich der Reichweite des dem Vorerben eingeräumten Spielraums und des mit der jeweiligen Anordnung verfolgten Zwecks.
Bei jeder Variante dieser Anordnung stellt sich neuerlich die Frage ihrer Vereinbarkeit mit
§ 2065 BGB und dem dort verankerten erbrechtlichen Grundsatz der Höchstpersönlichkeit. Um diese Frage beantworten zu können, muss zunächst der Wille des Erblassers und dessen Zielsetzung ermittelt werden, was nicht selten eine Auslegung seiner Verfügung von Todes wegen erfordert. In diesem Zusammenhang muss auch die Rechtsfigur der Vor- und Nacherbschaft und die Möglichkeit der bedingten Erbeinsetzung genauer betrachtet werden.
ISBN-13 (Printausgabe) | 3869551178 |
ISBN-13 (Printausgabe) | 9783869551173 |
ISBN-13 (E-Book) | 9783736931176 |
Sprache | Deutsch |
Seitenanzahl | 142 |
Auflage | 1 Aufl. |
Band | 0 |
Erscheinungsort | Göttingen |
Promotionsort | Universität Münster |
Erscheinungsdatum | 21.10.2009 |
Allgemeine Einordnung | Dissertation |
Fachbereiche |
Rechtswissenschaft
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Schlagwörter | ErblasserVorerbeNacherbeNacherbschaftVor- und NacherbschaftGeschiedenentestamentBedingte Erbeinsetzung§ 2064 BGB§ 2065 BGBDer erbrechtliche Grundsatz der HöchstpersönlichkeitPotestativbedingungKaptatorische Verfügung |