Die Debatte um einen stärkeren Klimaschutz und die damit einhergehende Distanzierung von fossilen Energieträgern ist omnipräsent. Ziel ist es die Erderwärmung auf maximal 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Deutschlands CO2-Emissionen sollen durch Effizienzmaßnahmen und den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien gesenkt werden. Ein vielversprechender Ansatz zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien im Bereich des Primärenergieverbrauchs ist die sogenannte Sektorenkopplung.
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland konnte auf circa 40 % (2018) gesteigert werden, der Anteil dieser Energien am Primärenergieverbrauch fällt mit etwa 14 % deutlich geringer aus. Der Grund dafür ist der geringe Anteil der erneuerbaren Energien in den Sektoren Wärme und Verkehr. Ziel der Bundesregierung ist eine Senkung der deutschlandweiten CO2-Emissionen um 80-95 % im Vergleich mit den Werten aus dem Jahr 1990 bis 2050. Um zukünftig den erneuerbaren Anteil der Energienutzung in diesen Bereich zu stärken, bietet sich der vielversprechende Ansatz der Sektorenkopplung an. Hierbei kann nicht nur die Energie zwischen den Sektoren verschoben, sondern auch die Synergien zwischen diesen genutzt werden. Mithilfe der Kopplung von mindestens zwei Sektoren ist es u. a. möglich regenerativ erzeugten Strom zwischen den Sektoren zu verschieben und von den positiven Entwicklungen des Stromsektors zu profitieren. Eine klassische Trennung der Energiebereitstellung in Strom-, Wärme- und Verkehrssektor wäre nicht mehr existent. Eine solche Verschiebung vom Stromsektor in den Verkehrssektor könnte direkt über elektrische Energie – z. B. zum Antrieb elektrischer Fahrzeuge – oder durch eine Energieumwandlung mithilfe der Power-to-X-Technologien ermöglicht werden.
Bereits 1997 wurden erstmals verbindliche Ziele zur Reduktion des Ausstoßes potenziell klimaschädlicher Gase bzw. von Treibhausgasen vereinbart. 2015 wurden diese auf dem Pariser Klimagipfel konkretisiert. Das international übergeordnete Ziel lautet seitdem die Erderwärmung durch den anthropogenen Treibhauseffekt um maximal 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Daran anlehnend hat die deutsche Bundesregierung eigene Ziele zur Minderung der CO2-Emissionen formuliert. Vordergründig sollen zur Erreichung dieser Ziele des Klimaschutzplans die CO2-Emissionen durch den Ausbau erneuerbarer Stromkapazitäten und einer Effizienzsteigerung der Energienutzung gesenkt werden. Deutschlandweit konnten so die CO2-Emissionen, insbesondere durch den Beitrag der Energiewirtschaft, bereits deutlich gesenkt werden. Eine große Ausnahme hierbei bildet der Verkehrssektor, die Werte haben sich in diesem Bereich seit 1990 um weniger als 1 % verbessert.
Zur Identifikation von Synergie-Potenzialen hat der Autor Hendrik Tödter ein detailliertes Modell des Verkehrssektors erstellt, welches zeitlich und regional hoch aufgelöste Ergebnisse aufzeigt. Der Sektor wird dabei in die untergeordneten Sektoren des motorisierten Individualverkehrs, des Güterverkehrs, des Schienenverkehrs und des öffentlichen Personalverkehrs aufgeteilt. Aufgrund des geringen Kopplungspotenzials werden sowohl die Luft- als auch die Binnenschifffahrt nicht betrachtet. Zur Gesamtsystemanalyse koppelte Hendrik Tödter dieses Modell mit einem der Stromerzeugung. Um fundierte Aussagen über Synergien und Hemmnisse bei der Sektorenkopplung treffen zu können, hat der Autor zu Analyse eine computerbasierte Energiesystemsimulation verwendet. Auf diese Weise konnten verschiedene Entwicklungen und deren Auswirkungen dargestellt und untersucht werden.
Die in der Publikation Einfluss der Entwicklung im Mobilitätssektor auf Energiesysteme mit hoher fluktuierender Einspeisung erläuterten Szenarien zeigen auf, dass mit einer zunehmenden Elektrifizierung des Verkehrssektors eine starke Minderung der CO2-Emissionen erzielt werden kann. Der Autor kommt dabei auch zu dem Schluss, dass generell eine direkte Elektrifizierung dem Einsatz synthetischer Kraftstoffe vorzuziehen ist. Auffällig bei der ganzheitlichen Betrachtung ist, dass der geplante Ausbau der erneuerbaren Stromkapazitäten nach dem Netzentwicklungsplan 2030 nicht ausreicht, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Durch einen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten in allen Szenarien könnte allerdings eine Minderung der Emissionswerte von mindestens 90 % erreicht werden. Ähnliche Tendenzen sind zu beobachten, wenn der Wärmesektor dem Gesamtsystem hinzugefügt wird. Durch die hohen Einsparungen im Wärmesektor wirkt sich eine Kopplung besonders positiv auf die Gesamtemissionen aus, in Szenarien mit hohen CO2-Emissionen im Verkehr.
In der Vergangenheit war die Energieversorgung der einzelnen Sektoren weitestgehend getrennt, vor allem sind die Energiebereitstellung und der Verbrauch durch eine eigene Infrastruktur entkoppelt. Zukünftig ist aber mit einem weiteren Ausbau der Kopplung von Strom- und Verkehrssektor zu rechnen. Beispielsweise werden elektrische PKW und Antriebe mit alternativen strombasierten Kraftstoffen den Strombedarf weiter erhöhen. Dieser neue Energiebedarf muss im Gesamtsystem bereits gestellt werden. Umso wichtiger werden mit dem Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor sowohl die Analyse potenzieller Entwicklungspfade als auch die Prognosen in deren Bereichen Verbrauch und Erzeugung. Denn nur so können der zukünftige Speicherbedarf und die nötigen Kapazitäten der erneuerbaren Energien und fossilen Residuallasterzeuger abgeschätzt werden.