Der Tisch als Möbelstück bietet den Teilnehmern einer Tischgesellschaft einerseits eine Bühne zur Selbstdarstellung und fördert andererseits einen direkten kommunikativen Austausch. Quentin Tarantino inszeniert in seinen Filmen diese kulinarische Motivik als zentrale Dreh- und Angelpunkte.
Die Einnahme einer Mahlzeit steht zunächst für das Ziel eines Lebewesens, Nährstoffe aufzunehmen und gesättigt zu werden. Der Verzehrprozess als solcher stellt jedoch gleichzeitig auch jedes Mal ein komplexes, individuelles Erlebnis eines Individuums dar: Geschmack, Geruch, Konsistenz, Temperatur usw. können Assoziationen wecken, Erinnerungen an vorherige Mahlzeiten oder Situationen wachrufen und sie lösen durch Freisetzung unterschiedlicher Botenstoffe Emotionen aus, die je nach Individuum unterschiedlich ausfallen. Die Nahrungsaufnahme besitzt also biologische und psychische Aspekte, welche bei gemeinsamen kulinarischen Zusammenkünften mehrerer Menschen aufeinandertreffen. Geprägt durch Zivilisation, Kultur, Gesetzgebung, Alltagsorganisation, Religion und Philosophie wird gemeinsamen Mahlzeiten darüber hinaus eine herausragende soziokulturelle Rolle zugewiesen, die es zu beachten gilt.
Für die Antwort nach der soziokulturellen Bedeutung des gemeinsamen Speisens bedient sich Laura Vogel in ihrer Dissertation nicht nur historischen, interdisziplinären Diskursen sondern vor allem filmischen Inszenierungsformen von Tischgesellschaften und Mahlzeiten. Die ästhetische Wirkung des Films in seiner Dynamik kommt im Vergleich zu anderen Medien jener Daseinsebene am nächsten, die gemeinhin als Realität angesehen wird. Die bild- und tonbezogenen Wahrnehmungsstrukturen bilden somit eine vielversprechende Basis dafür Tischszenen als hilfreiche, dramaturgische Baustein sowie ein Aufeinandertreffen unterschiedlichster Kommunikationsarten.
In ihrem Kern konzentriert sich Vogels Analyse hauptsächlich auf die Filmographie Quentin Tarantinos, dessen Gesamtwerk sich durch eine Vielfalt an Referenzen auf andere Kunst- und Medienprodukte sowie auf diverse soziokulturelle Phänomene auszeichnet. Vielförmig gestaltete Handlungsschauplätze und Speisesituationen kennzeichnen seine Filme. Dabei bildet die filmästhetisch codierte Vermittlung spezifischer Inhalte mit Hilfe des gezielten Einsatzes kulinarischer Motivik den zentralen Dreh- und Angelpunkt der Untersuchungen. Es wird geprüft, inwieweit sich die Funktion der Tischszenen auf einen dramaturgischen Nutzen beschränken und welche weiteren filmästhetischen Aspekte mittels der Darstellung von Nahrungsvorgängen generiert, ergänzt oder gar aufgebrochen werden können. Vor diesem Hintergrund werden sowohl der soziokulturelle Ursprung der Kulinarik als auch der filmhistorische Hintergrund essensbezogener Motivik diskutiert.