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Buchbesprechung:
Es gibt Rechtsgebiete und Regelwerke, die von der Illusion getragen werden, sie könnten etwas bewirken, menschliches Verhalten ändern oder gar Mißstände beheben. Dazu gehört offenbar auch das Tierschutzrecht: Wen interessiert es schon, daß die Tiere bereits seit Jahren durch die Verfassungen von Bundesländern höchstrangig unter staatlichem Schutz stehen? Wird doch nach wie vor ein Staatsziel zugunsten der Tiere im Grundgesetz gefordert und andererseits in der Praxis keine Änderung im Umgang mit ihnen deutlich. Die eigennützige Herrschaft des Menschen über das Tier scheint ungebrochen. Und das, obwohl es seit fast siebzig Jahren ein mehrfach verbessertes Tierschutzgesetz gibt.
Die zwei Jahre nach Johannes Caspars Tierschutzrecht erschienene Göttinger Dissertation zur Rechtslage wissenschaftlicher Tierversuche, betreut von Werner Heun, holt weit aus und ist nicht nur juristisch, sondern auch historisch bestens fundiert. Nach den notwendigen Begriffsklärungen und einer subtilen Darstellung der weltweiten Entwicklung des Tierschutzrechts seit dem Codex Hammurabi um 1700 v. Chr. verweist Leondarakis (S. 73) auf die erste gesetzliche Regelung für Tierversuche von 1876 in England. Dem folgte in Deutschland als Reaktion auf die zunehmenden Vivisektionen die Gosslersche Reichsverordnung von 1885, mit der für Tierversuche erstmals grundsätzlich eine Vollnarkose vorgeschrieben wurde. Das ReichstierschutzG von 1933 wird ebenso vorgestellt wie das TierSchG der Bundesrepublik von 1972 im Einzelnen, das – bis 1998 mehrfach novelliert – bis heute fortgilt. Gegenüber der Forschungsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG könne dieses sich jedoch nicht hinreichend durchsetzen, solange dem Tierschutz kein gleicher Verfassungsrang zustehe. Die zweite Hälfte der Arbeit kommentiert die §§7 bis 9 a TierSchG mit den formellen und inhaltlichen Voraussetzungen der für Tierversuche vorgeschriebenen Genehmigung. Dabei stehen Begriffe wie unerläßlich, wissenschaftlich geeignet, unersetzbar und ethisch vertretbar (vgl. hierzu Konstantin Leondarakis, Ethik im Recht, Nomos Verlag, Baden-Baden 2001, 74 Seiten, ISBN 3-7890-7356-3) im Vordergrund. Die in diesem Zusammenhang geübte Kritik an der bisherigen Rechtsprechung, wonach die materielle behördliche Prüfung eingeschränkt ist (S. 225 f.), richtet sich im Grunde gegen den Gesetzgeber. Denn nach § 8 Abs. 3 Nr. l TierSchG genügt zur Genehmigung eines Tierversuchs die wissenschaftlich begründete Darlegung seiner Unerläßlichkeit und ethischen Vertretbarkeit durch den Antragsteller. Damit ist einer durchgreifenden behördlichen und gerichtlichen Kontrolle dieser beiden Kriterien der Boden bereits gesetzlich entzogen, sofern nur ihre Darlegung „wissenschaftlich begründet" worden ist. Dieser formale Prüfüngsmaßstab mag in einem Rechtsstaat wenig befriedigen, läßt sich aber kaum durch eine entsprechende Auslegung der insoweit klar formulierten Vorschrift überwinden. Nur am Rande: Daß nach Ablauf der drei- oder zweimonatigen Entscheidungsfrist eine beantragte Genehmigung seit 1998 kraft Gesetzes als uneingeschränkt erteilt gilt, dürfte die Möglichkeit ihrer teilweisen oder ganzen Rücknahme gemäß § 48 VwVfG nicht ausschließen (S. 139, 234).
Die Studie schließt mit den anzeigepflichtigen Vorhaben und der Bestimmung des § 9 TierSchG für die Durchführung jedes Tierversuchs. In einem Ausblick resümiert der Autor den gegenwärtigen Rechtszustand als mangelhaft. Durch die bestehenden Normen werde nur der Anschein einer Kontrolle erweckt. Deshalb seien tierversuchsfreie Ersatz- und Ergänzungsmethoden weiter energisch zu fördern und der Tierschutz als Wert auch im Grundgesetz ausdrücklich zu verankern. Auf einen Abdruck der geltenden einschlägigen Vorschriften in einem Anhang wurde verzichtet. Stattdessen regt ein umfangreiches Literaturverzeichnis auf 18 Seiten zur Vertiefung einzelner Fragen an. Alles in allem ein hervorragend gelungenes Werk (ISBN 3-89873-091-3), das in der unvermeidlichen künftigen Diskussion zu berücksichtigen sein wird und den zuständigen staatlichen Stellen ihre hohe Verantwortung ebenso nachhaltig vor Augen führt wie den mit Tieren experimentierenden Wissenschaftlern und Instituten.
Dr. Hans-Cord Samighausen, Richter am OVG a. D., Lüneburg
ISBN-13 (Printausgabe) | 3898730913 |
ISBN-13 (Hard Copy) | 9783898730914 |
Language | Alemán |
Page Number | 262 |
Edition | 1 |
Volume | 0 |
Publication Place | Göttingen |
Place of Dissertation | Göttingen |
Publication Date | 2000-11-30 |
General Categorization | Dissertation |
Departments |
Law
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